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Gottvater und Microsoft
Ist Microsofts Weltherrschaft noch zu verhindern?
Gottvater und Microsoft
Heute hatte ich wieder eine Begegnung der Dritten Art.
Auf dem Weg von der Party nach Hause musste ich am Park entlang, was ich normaler Weise zu vermeiden suche. Doch ich wollte schnell heim, und so kam es, wie es kommen musste.
Als hätte ich es geahnt, entflammte sich vor mir wieder ein Busch. Ich versuchte es zu ignorieren, doch der Alte Mann darin ereichte mich mit seiner aufdringlich sonoren Stimme:
"Ich bin, der ich bin."
"Ich weiß, Gottvater", sagte ich, aber doch nicht hier und um diese Zeit. Ich fühle mich hundselend und möchte nur
noch nach Hause."
"Doch du bist der Auserwählte", wiedersprach Gottvater.
"Ich weiß", sagte ich, "ich weiß das, seit du mir damals die Neufassung der Zehn Gebote in die Hand gedrückt hast. Die haben mir nichts als ärger eingebracht. Ich mache dir einen Vorschlag: du lässt mich jetzt erst einmal ausschlafen und morgen schicke ich dir eine SMS.
"Ich habe kein Handy", wandte Gottvater ein.
"Kein Problem", sagte ich, "ich habe zwei."
Ich zog ein PrePaid Handy aus der Tasche und reichte es in den brennenden Busch.
"Da sind nur noch wenige Einheiten frei, aber anrufen kann ich dich."
Gottvater schüttelte den Kopf:
"Gehst du immer so mit deinen Sachen um? Das Handy kannst du vergessen, es ist verbrannt. Außerdem könnte ich mir eins erschaffen, wenn ich die Absicht hätte, es zu brauchen. Was ich dir zu sagen habe, duldet keinen Aufschub."
Ich sah ein, dass ich ihn nicht abwimmeln konnte, und so ergab ich mich meinem Schicksal.
"Dann mache es kurz."
"Ich muss mein Volk in das gelobte Land geleiten, und du sollst sein Führer sein."
"Israel?", fragte ich.
"Nein", sagte Gottvater und winkte ab, "Microsoft."
"Häh?", die kommen doch ganz gut alleine zurecht."
"Ich meine ja auch nicht Bill Gates, mein armes Volk sind die System Entwickler und Programmierer. Die werden zur Zeit arg unter Druck gesetzt. Seit Netscape 6 auf dem Markt ist, will Microsoft bis zum Sommer den Internet Explorer 7 herausbringen."
"Sieben?", staune ich," erst ist doch einmal sechs fällig.
"Eben", bestätigte Gottvater, "deshalb ja dieser Stress. Du musst die Entwickler und Programmierer in das gelobte Land führen, bevor Microsoft mit dem Siebener Explorer die Weltherrschaft an sich reißt."
"Und?, wo bitte ist das gelobte Land?, in Palästina wollen die doch jetzt sicher nicht auch noch gescheiterte EDV-Spezialisten."
"Es ist dieses Mal auch nicht Palästina, da halte ich mich zur Zeit selbst heraus. Du sollst mein Volk einfach zum Arbeitsamt führen und ihnen zeigen, wie man die Formulare ausfüllt."
"Und dafür soll ich meinen Schlaf opfern", rufe ich aufgebracht, "hast du dir überhaupt schon einmal überlegt, wie ich das anfangen soll? Ich kenne doch niemanden von Microsoft, von den zwei oder drei Supporttechnikern einmal abgesehen. Soll ich einfach in das amerikanische Headquarters marschieren und sagen: Hey Leute, ihr habt im Moment fürchterlichen Stress. Kommt, ich zeige euch, wie man Stütze organisiert. Die würden doch sagen:
Junge, verpiss dich, wir haben hier kein Arbeitsamt. Glaube mir, Gottvater. Es ist heute gar nicht mehr so leicht ein großer Führer zu werden. Seit Moses haben sich die Zeiten geändert. Der kannte seine Schäfchen sicher noch alle persönlich."
Gottvater ließ sich nicht beirren.
"Bist du denn gar nicht auf dem Laufenden? Heute macht man das alles über Internet."
"Das sagst du? du bist doch auch noch mit deinem brennenden Busch unterwegs. Diesen Trick hast du seit Moses nicht verändert. Heute lockst du damit niemanden hinter den Ofen hervor. Wenn du mit der Zeit gehen würdest, hättest du dich als Trojaner in meinen Computer eingeschleust und wärst mir dort in einem virtuell brennenden Busch erschienen."
"So etwas muss ich mir nun von meinen eigenen Geschöpfen gefallen lassen", sagte Gottvater beleidigt und knipste den Busch aus.
Für heute hatte ich meine Ruhe und torkelte nach Hause. Ich nahm an, dass Gottvater selbst nicht mehr so recht wusste, wie wir in der Sache mit Microsoft weiter kommen sollten.
In den nächsten Tagen mied ich vorsichtshalber Gebiete mit verdächtiger Flora und grübelte, ob ich ihm mit den Trojanern nicht zu viel verraten hatte.
Ich werde daher zunächst auch Computer meiden und erst wieder einen einschalten, wenn die Gefahr vorüber und der Internet Explorer 7 auf dem Markt ist.
Meine Vorsicht erwies sich letztendlich als begründet, als die Medien wenige Tage nach meiner Feuererscheinung über einen spektakulären Angriff auf den Hauptrechner von Microsoft in den USA berichteten. Ich habe begründeten Verdacht zu der Annahme, dass Microsoft nun doch zunächst den Internet Explorer 6 herausbringt und damit die Weltherrschaft des Softwaregiganten bis auf Weiteres verhindert wurde.
© Erich Romberg
Januar 2001
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