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Langeweile
Eine Satire
Langeweile
Ich kenne keine Lageweile, doch die Zeit will und will nicht vorübergehen. Ich trage es mit Fassung, denn ich habe es gelernt, allein mit mir zurecht zu kommen. Eine Stubenfliege surrt durch das Zimmer und ich schau ihr nach. Sie ist sehr schnell und ich denke an einen Flug zum Atlantik; Windsurfen wäre jetzt das Richtige.
Die Fliege setzt sich auf die Fensterscheibe und das Surren hat aufgehört. Am anderen Ende des Zimmers krabbelt eine Spinne die Wand hoch und ich frage mich, wie sie die Fliege, ihr Opfer, wohl erreichen würde. Ihre Chancen sind im Moment wohl eher aussichtslos, aber Chancen ändern sich. Meine Tapete hat ein eigenartiges Muster, scheinbar unabhängige Zick-Zacks, doch die Zick-Zacks der verschiedenen Bahnen scheinen einen tieferen Zusammenhang zu haben. Bevor ich es herausgefunden habe, beginnt die Fliege wieder laut brummend herum zu fliegen. Ich schaue nach der Spinne; es scheint nach wie vor aussichtslos, dass sie die Fliege erreicht. übergangslos landet die Fliege auf das Zick-Zack und verschwindet optisch im Labyrinth. Es scheint nicht, dass sie das tiefere Geheimnis der Muster kümmert, und auch ich bin vom Suchen nach der Fliege davon abgelenkt worden. Ich sehe nach der Spinne; doch diese macht keine Anstalten, auf Fliegenjagd zu gehen. Vielleicht ist sie satt, oder sie kann die Fliege nicht besser sehen als ich. Doch da, die Fliege krabbelt aus einem dunklen Zick-Zack Feld in ein helleres, so dass ich sie nun erkennen kann. Ich suche die Spinne, aber sie scheint schlechtere Augen zu haben als ich. Ich fasse all meine Energie zusammen und erhebe mich aus meinem Schaukelsessel. Ich ergreife eine Zeitung, falte sie zu einem Riegel zusammen und beäuge argwöhnisch die Fliege; sie macht keine Anstalten, weg zu fliegen. Vorsichtig schleiche ich zur Wand und – Klatsch.
Das war ein großer Fehler; denn jetzt sitze ich wieder in meinem Schaukelsessel und langweile mich. Das Rätsel der Zick-Zacks scheint unlösbar. Ich habe das Fenster geöffnet und warte auf eine Fliege, in der Hoffnung, dass meine Spinne nun hungriger wäre.
© Erich Romberg
März 2000
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